„Angesichts der Zerspaltung der Christenheit darf daher das Gebet um Wiedervereinigung nicht aufhören Auch die lutherische Kirche hat dazu ihren Beitrag zu liefern, und dies mit tieferem Ernst, wenn sie von sich selbst glauben darf, dass sie das Evangelium und die Sakramente nach dem rechten Verstand des Neuen Testaments bewahrt. Sie kann diesen Anspruch nur erheben, wenn sie die ihr geschenkte Wahrheit anderen nicht vorenthält. […]
So ist die Frage nach der Einigung im Grunde die Frage, wo Christus gegenwärtig ist. Die Antwort kann nur lauten: Er ist da, wo er selbst verheißen hat, gegenwärtig zu sein, nämlich in seinem Wort und in seinen Sakramenten. […] Christus ist nicht da, wo wir oft meinen, dass er sei, nämlich in unserer Hingabe und dem Ernst unserer Bekehrung oder in dem, was wir an Kirche ,,bauen“. Er ist vielmehr da, wo er selbst seine Gegenwart setzt, weil es ihm so beliebt, so dass wir diese einigende Gegenwart nur entdecken und uns aneignen können. […]
Der Einwand liegt nahe und wird oft erhoben, dass die Betonung der rechten Lehre gerade die Kirche entzweit habe, wie sie auch das Sichzusammenfinden hindere oder doch verzögere. […]
In Wirklichkeit führt die Wahrheit nicht auseinander, sondern einigt, ja nur allein sie kann zu richtiger Einigung führen. Wer die Wahrheit hat, wird notwendig Mittelpunkt für alle Irrungen, die sich an dieser Wahrheit zurechtfinden können. Darum hat man nicht zu Unrecht die lutherische Kirche die ,,Konfession der Mitte“ genannt. Was in der katholischen und reformierten Kirche an Wahrheit ist, aber hier in extremer Weise überspitzt ist, wird in der lutherischen Lehre und Praxis zusammengefasst. […] Das ist [der Grund], warum jeder, der aus einer anderen Konfession zur lutherischen Kirche kommt, alles was er an echter Wahrheit besaß, nicht zu entbehren braucht, sondern geläutert und aus falscher Zuspitzung gelöst, wiederfindet. Hier, in dieser – in einem tiefen Sinn verstandenen – ,,Mitte“ kann sich finden, was sich zertrennt hat. Darum ist die Einigung der lutherischen Kirche immer zugleich ein Schritt zur Einigung der ganzen Kirche Christi.“
Prof. Ernst Sommerlath, Vors. des GA 1952 in „Weg und Ziel des Lutherischen Einigungswerkes“